Liebe Freunde des Sterns der Hoffnung!
Ich weiß nicht, welche unsichtbaren Geister sich am 15. Dezember letzten Jahres im Bahnhof von Bern aufhielten. Ich musste den Zug wechseln und nahm die Treppe, um den Anschluss nicht zu verpassen. Die letzte Stufe warf mich zu Boden!
Als ich wieder zu mir kam, sah ich einen Rollstuhl, der mir entgegenkam und von zwei Polizisten geschoben wurde. Sie brachten mich unverzüglich in die Notaufnahme des Bahnhofs. Das vor Ort angefertigte Röntgenbild bestätigte meine Befürchtungen: ein dreifacher Bruch des Knöchels. Sechs Stunden nach meinem Unfall war ich in dem Zimmer, das mir bis über die Weihnachtsfeiertage hinaus Schutz bieten sollte, von Menschen umgeben und wurde gepflegt. Was für eine Solidarität, was für eine tröstende Atmosphäre!
In der Nacht flogen meine Gedanken nach Benin. Ich erinnerte mich an die dramatischen Todesfälle durch Unfälle und Krankheiten. Bei einem Unfall in Cotonou gehen die Zeugen der Situation aus Erfahrung oft aus dem Weg. Wer würde den Krankenwagen und wer den Eintritt ins Krankenhaus bezahlen, wer könnte sich um die sehr teuren Röntgenaufnahmen kümmern und wer die notwendige Pflege organisieren? Alles hängt vom Geld ab, das fehlt. Ein Unfall, wie der, den ich gerade erlitten habe, wäre fatal und könnte tödlich enden. Mit großer Dankbarkeit denke ich an unseren «Stern», der mit der häuslichen Krankenpflege der entwürdigenden Unterversorgung entgegentritt und vielen Kranken Linderung und oft auch nachhaltig Gesundheit bringt.
Während der zwei Wochen im Krankenhaus las ich die täglichen Arbeitsberichte von der Krankenpflege in Benin. In meiner etwas besonderen Lage berührte mich die Geschichte von Elisabeth, die wir schon lange begleiten, ganz besonders. Sie zeigt, wie schwierig und oft langwierig eine effektive häusliche Krankenpflege in der Situation Westafrikas in Wirklichkeit ist. Es reicht nicht aus, die Kranken zu pflegen. Man muss auch gegen die überlieferte Diskriminierung von Behinderten und Erkrankten ankämpfen – und leider auch gegen die Diskriminierung von Geheilten, die im Zusammenhang mit der modernen Pflege und der modernen pharmazeutischen Mittel ein neues Leben gefunden haben.
Elisabeth hatte bereits einen schweren Unfall überlebt. Später erkrankte sie an AIDS und war dem Tode nahe. Dank der antiretroviralen Medikamente erholt sie sich. In den Augen ihrer Mitmenschen war das ein nicht normales Glück. Sie vermuteten darin das Wirken zweifelhafter Geister, die für die Gemeinschaft gefährlich sein könnten. Es gab das unheilvolle Gerücht. Es fiel das verhängnisvolle Wort: eine «Hexe». Nachbarinnen und Kinder wiederholten das Urteil.
Elisabeth konnte es nicht verstehen. Dass sie von anderen beneidet wurde, ja das gehörte zum Alltag. Doch eine «Hexe»?
Ja, sie hatte einst einen Unfall erlitten, der sie zeitlebens zur «Behinderten» gemacht hat. Sie hatte ihren Mann durch die verfluchte Krankheit AIDS verloren und sich selbst als sterbende und verlassene Frau erlebt. Ihre einzige Tochter hatte sich aus dem Staub gemacht, um der prekären Situation zu entfliehen. Es stimmt auch, dass Elisabeth etwas visionär geworden war, aber sie war keine Wahrsagerin. Sie hatte auch keinen Kontakt zu bösen Geistern. Was den Neid der anderen weckte, war ausgerechnet die Begleitung durch die häusliche Krankenpflege. Elisabeth war dank dem «Stern der Hoffnung» gesund und guter Dinge geworden. Und das sollte ihr nun erneut zum Verhängnis werden? Der «Stern» sollte sie verhext haben?
Es dauerte Monate, bis die Gemeinschaft die Motivationen und die Arbeitsweisen der häuslichen Krankenpflege besser verstand und allmählich auch einigermaßen akzeptierte. Elisabeth jedenfalls hat inzwischen ihr einzigartiges Lächeln und ihre Unabhängigkeit wiedergefunden. Sie spürt inzwischen den Respekt ihrer Umgebung.
In den Weihnachtsfeiertagen hat mich Ihre Solidarität beindruckt. Ihre Großzügigkeit macht es möglich, die häusliche Pflege im ganzen kommenden Jahr zu gewährleisten. Was für eine Freude und Erleichterung für viele!
Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie in diesem Jahr 2023 von guten Geistern begleitet werden, und sage Ihnen meinen allergrößten Dank.
Lisette Eicher
Dankesbrief 2023